Schauplatz Florida, USA. Zwei Männer stehen vor Gericht. Zwei Männer, zwei ähnliche Verbrechen und dennoch zwei sehr unterschiedliche Strafen. Gerechtigkeit? Fehlanzeige!
Allen Peters, ein 17-jähriger Teenager aus Florida mit einem Vorstrafenregister, überfiel eine Tankstelle mit einer Waffe und erbeutete 640 $. Vor Gericht bekannte er sich schuldig und wurde zu einer 72-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt, ohne ins Gefängnis zu müssen.
Jaquavius Sturgis, ebenfalls ein 17-Jähriger aus Florida mit einer kriminellen Vergangenheit, raubte einen Gemischtwarenladen aus. Dabei erbeutete er 300 $, eine Halskette und die Brieftasche des Besitzers. Auch er bekannte sich vor Gericht schuldig, erhielt jedoch eine härtere Strafe: 24 Monate Bewährung und eine vierjährige Haftstrafe.
Wie kann es sein, dass die beiden so unterschiedlich behandelt wurden? Obwohl ihre Straftaten fast identisch waren. Der einzige Unterschied zwischen den beiden? Jaquavis ist schwarz.
Die USA haben ein Rassismusproblem, welches auch vor dem Justizsystem keinen Halt macht. Das Besondere in den USA ist: Wer hier vor Gericht muss, stellt sich nicht nur einem Richter, sondern auch einer Jury, bestehend aus zwölf Bürger:innen. Diese Jury entscheidet über Schuld oder Unschuld des Angeklagten. Zwölf zufällig ausgewählte Personen, die die Vielfalt der Gesellschaft repräsentieren sollen – doch mit im Gepäck sind dabei aber auch eine ganze Handvoll Vorurteile.
Studien zeigen, dass rassistische Vorurteile die Entscheidungen der Jury beeinflussen. Afroamerikaner:innen und andere Minderheiten haben häufig schlechtere Chancen auf eine faire Behandlung im Gerichtssaal. Rassismus im Gerichtssaal kann drastische Folgen für das Leben der Angeklagten haben und verdeutlicht, dass es dringend notwendig ist, diese Vorurteile zu bekämpfen.
Diese Art von Vorurteilen betrifft aber nicht nur das Justizsystem und schon längst nicht nur die USA. Denn ob wir wollen oder nicht, wir alle haben Vorurteile.
Unconscious Bias: Wir alle haben Vorurteile
“Frauen sind emotionaler und weniger rational als Männer” oder “ältere Menschen sind nicht technologisch versiert, und junge Menschen sind faul und unzuverlässig”: Wir alle kennen sie, diese fiesen fest eingebrannten Vorurteile, denen wir uns meistens gar nicht bewusst sind. Von klein auf lernen wir, Menschen in Schubladen zu stecken. Und dieses Einteilen in Kategorien ist sogar wichtig für uns. So können wir Informationen schneller sortieren und Situationen schneller einschätzen. Würden wir Menschen und Situationen nicht kategorisieren beziehungsweise stereotypisieren, wären wir regelrecht überfordert von der Fülle an Informationen.
Wann ist aber ein Vorurteil ein Vorurteil? Was sind Stereotype? Und was Unconscious Bias?
Vorurteil
Ein Vorurteil ist eine voreilige und oft negative Meinung oder Einstellung gegenüber einer Person oder Gruppe, die nicht auf fundierten Informationen oder persönlichen Erfahrungen beruht, sondern auf verallgemeinerten Annahmen oder Stereotypen basiert. Zu beachten ist, dass es auch positive Verallgemeinerungen gibt, wie zum Beispiel “Deutsche arbeiten strukturiert”. Diese Verallgemeinerungen führen dazu, dass allgemeines Wissen über eine Gruppe oder eine Person dieser Gruppe, auf jedes Mitglied dieser Gruppe projiziert wird. Dabei sind Vorurteile in der Regel emotional geladen und können sich in negativen Gefühlen, Überzeugungen oder Verhaltensweisen manifestieren. Daher sind Vorurteile nur relativ. Sie sind abhängig von den jeweiligen Wissens- und Moralstandards einer Gesellschaft und verändern sich somit über Zeit und Raum.
Beispiel:
„Ich glaube, dass Frauen nicht gut in Mathe sind.“ Dies ist eine negative Einstellung, die ohne wirkliche Kenntnis oder Erfahrung gebildet wurde, die aber bewusst ablaufen.
Stereotype
Der Begriff „Stereotyp“ hat seinen Ursprung im Griechischen und bedeutet „festes Muster“. Wir alle nutzen täglich Stereotypen, sie sind vereinfachte und verallgemeinerte Vorstellungen über eine Gruppe von Menschen. Stereotypen helfen uns, Informationen zu kategorisieren und zu ordnen, um die Vielzahl an Reizen, die auf uns einwirken, besser verarbeiten zu können. Durch Stereotype werden komplexe Informationen vereinfacht und bestimmte Eigenschaften verallgemeinert. Stereotype sind feste Annahmen über Eigenschaften oder Verhaltensweisen, die Personen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe zugeschrieben werden. Stereotype sind ebenfalls wie Vorurteile Verallgemeinerungen, der Unterschied zum Vorurteil ist jedoch, dass Stereotype nur Kategorien sind und somit urteilsfrei sind. Vorurteile sind negative Wertungen und fügen dem Stereotypen also eine negative Konnotation bei, die letztlich auch das Handeln und Verhalten beeinflussen.
Beispiel:
„Alle Japaner sind effizient.“ Dies ist eine vereinfachte Annahme, die nicht auf jeden Japaner zutrifft.
Unconscious Bias
Bias ist ein soziologischer Begriff und kommt aus dem Englischen. Auf Deutsch bedeutet es Befangenheit, Vorurteil oder Voreingenommenheit und bezeichnet die subjektive Verzerrung unserer Wahrnehmung, Erinnerung und Meinungsbildung. Alle Menschen haben Biases, denn unser Denken, aber auch unsere Wahrnehmung und Erinnerung werden grundsätzlich durch bestimmte vorgefertigte Grundannahmen beeinflusst. Biases helfen uns im Alltag Informationen schnell einzuordnen. Oft greifen wir automatisch auf Informationen zurück.
So helfen uns Biases beispielsweise dabei, schnellere Entscheidungen beim Einkaufen zu treffen oder morgens durch gezielte Routinen, damit wir schneller aus dem Haus kommen. Durch Biases werden Entscheidungen und Informationen automatisiert. Aber diese automatischen Rückgriffe auf vorhandene Stereotype oder Erfahrungswerte können vor allem in sozialen Situationen dazu führen, dass wir Situationen nicht objektiv wahrnehmen – dann spricht man von dem sogenannten Unconscious Bias oder auf Deutsch den kognitiven Verzerrungen. Kognitive Verzerrungen sind systematische Denkfehler, durch welche die Wirklichkeit verzerrt wird. Anders als Vorurteile sind wir uns aber diesen Befangenheiten oder Voreingenommenheiten nicht bewusst. Ähnlich wie bei den Stereotypen gibt es auch positive Unconscious Bias. Unconscious Bias werden dann aber ein Problem, wenn sie zu Benachteiligungen und Diskriminierungen führen.
In unserem Gesundheitssystem werden Menschen oft aufgrund von unbewussten Vorurteilen anders behandelt als andere Patienten. So sorgt zum Beispiel der sogenannte Gender Pain Gap dazu, dass Frauen ihren Schmerzen oft abgesprochen werden oder ihre Systeme nicht ernst genommen werden – eben nur weil sie Frauen sind und viele Menschen (und somit auch das Gesundheitspersonal) den Glaubenssatz verinnerlicht haben: “Frauen sind oft zimperlich.”
Unconscious Bias: Wie können Vorurteile überhaupt unbewusst ablaufen?
Um dieser Frage nachgehen zu können, müssen wir einen kleinen Ausflug in unsere Denkabläufe machen.
Unser Gehirn erhält etwa 11 Millionen Informationen pro Sekunde. Nur etwa 40 dieser Informationen können allerdings bewusst verarbeitet werden. Um uns vor einer Überlastung zu schützen, filtert unser Gehirn die eingehenden Sinneseindrücke. Dies bedeutet, dass unser Gehirn nur einen kleinen Bruchteil der Umgebung wahrnimmt. Das, was wir erfassen, stellt unsere wahrgenommene Wirklichkeit dar. Unser Gehirn ist also darauf ausgelegt, unsere Wahrnehmung einzuschränken, um uns das Leben zu erleichtern.
Natürlich kann unser Gehirn aber nicht nur filtern, sondern wir können auch aktiv Situationen abwägen und über sie nachdenken.
Daher unterscheidet man zwischen zwei Denksystemen. Dieser Ansatz geht auf den Psychologen Daniel Kahneman zurück, der in seinem Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ die Konzepte von System 1 und System 2 zum ersten Mal vorgestellt hat.
“System 1 arbeitet automatisch und schnell, weitgehend mühelos und ohne willentliche Steuerung.”
System 1 ist ein schnelles, automatisches und emotionales Denksystem, das auf Erfahrungen und Intuition basiert. Es erlaubt uns, schnell und effizient auf Situationen zu reagieren, ohne viel Aufmerksamkeit oder kognitive Anstrengung zu erfordern. Dieses System ist besonders nützlich, wenn schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen, wie zum Beispiel beim Autofahren (rote Ampel, „rechts vor links“-Regel) oder bei der Beurteilung von Gesichtsausdrücken (sympathisch/unsympathisch). Diese unbewussten Abläufe basieren auf unseren bisherigen Erfahrungen, entlasten unser Gehirn und sind notwendig, damit wir im Alltag überhaupt funktionieren können.
Alles, was uns innerlich unbewusst widerfährt, wird durch System 1 generiert. Unsere Eindrücke, Gefühle, Neigungen und unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit. Das, was System 1 erzeugt, geschieht ohne willentliche Steuerung, automatisch und weitestgehend mühelos. Daher sind die Erfahrungen, die wir machen, wenn System 1 arbeitet, passive Erfahrungen, die nicht unserer bewussten Steuerung unterliegen.
Denksystem 2
System 2 ist ein langsames, bewusstes und analytisches Denksystem. Es erfordert kognitive Anstrengung und wird aktiviert, wenn wir über etwas nachdenken oder komplexe Entscheidungen treffen müssen. Im Gegensatz zu System 1 ist System 2 willentlich steuerbar und kommt zum Einsatz, wenn wir zum Beispiel ein mathematisches Problem lösen oder eine wichtige Entscheidung abwägen.
Unser Gehirn wechselt ständig zwischen diesen beiden Systemen, um effizient zu arbeiten und uns vor Überlastung zu schützen.
Wie können Unconscious Bias zu Diskriminierungen führen?
Es zeigt sich: Damit wir als Menschen funktionell mit unserer Umwelt umgehen können, benutzen wir alle Vorurteile, Stereotype und Unconscious Bias. Allerdings führen vor allem die unbewussten Vorurteile, also die Unconscious Bias, zu Benachteiligungen und Diskriminierungen. Warum?
Damit Benachteiligungen und Diskriminierungen bearbeitet und aufgearbeitet werden können, müssen wir uns ihnen bewusst sein. Das heißt, wir können nur gegen sie ankämpfen und somit unvoreingenommene und bewusste Entscheidungen treffen, wenn wir uns über unsere Befangenheiten im Klaren sind. Nur so können Benachteiligung und Diskriminierung verhindert werden.
Wenn wir gedanklich zurück in den Gerichtssaal nach Florida gehen, würde das heißen, dass sich die Mitglieder der Jury ihrer Voreingenommenheiten und Vorurteile gegenüber einer schwarzen Person im Klaren wären und dass sie einer schwarzen Person, dieselbe Behandlung zuteilwerden lassen wie einer weißen Person. Das heißt, in einer solchen Situation hätten die beiden Straftäter eine ähnliche Strafe bekommen.
Formen von Unconscious Bias
Um diese unbewussten Vorurteile besser zu verstehen und ihnen entgegenzuwirken, ist es wichtig, die verschiedenen Formen von Unconscious Bias zu kennen. Unconscious Bias tritt in vielen unterschiedlichen Erscheinungsformen auf, die unser Denken und Handeln auf subtile Weise beeinflussen können. Hier sind einige der häufigsten Arten:
- Affinitätsbias
Ein Affinitätsbias bezeichnet unsere Tendenz, uns zu Menschen hingezogen zu fühlen, die uns ähnlich sind. Wenn du dich jemals gefragt hast, warum ähnliche Menschen oft Freunde werden, liegt das daran, dass wir Menschen mögen, die uns an uns selbst oder an jemanden erinnern, den wir kennen und mögen.
Wenn man in eine neue Stadt zieht, meldet man sich oft in Vereinen an, um neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schließen. Denn dort ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, Gleichgesinnte zu finden. Wir fühlen uns zu Menschen hingezogen, die ähnliche Interessen oder Leidenschaften teilen. Dies schafft ein Gefühl der Gemeinschaft und Zugehörigkeit. Zusammengefasst: Wir bevorzugen Menschen, die dieselben Hobbys und Interessen mit uns teilen. - Bestätigungsbias / Confirmation Bias
Confirmation Bias bedeutet, dass wir gezielt nach Informationen suchen, die unsere bestehenden Überzeugungen stützen, anstatt objektiv alle verfügbaren Fakten zu berücksichtigen. Wir suchen also Bestätigung unserer Werte, Einstellungen, Erfahrungen etc. Dies führt oft dazu, dass wir Informationen ignorieren, die nicht zu unserer Sichtweise passen, und uns stattdessen nur auf solche Faktoren konzentrieren, die unsere Ansichten bestätigen.
Ein Mensch, der überzeugt ist, dass eine bestimmte Diät die gesündeste ist, wird eher Artikel, Studien und Erfahrungsberichte lesen und teilen, die die Vorteile dieser Diät betonen. Informationen, die auf mögliche Nachteile oder gesundheitliche Risiken hinweisen, werden hingegen ignoriert oder abgewertet. - Gender Bias
Gender Bias, oder geschlechtsspezifische Voreingenommenheit, bezieht sich auf die Neigung, Geschlechterstereotype zu bevorzugen oder zu benachteiligen, basierend auf einer verzerrten Wahrnehmung der Geschlechterrollen in der Gesellschaft. Diese Voreingenommenheit entwickelt sich oft unbewusst im Laufe des Lebens und kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben.
Menschen neigen dazu, bestimmte Eigenschaften, Fähigkeiten oder Verhaltensweisen mit einem bestimmten Geschlecht zu verknüpfen, ohne dass dies durch Fakten gestützt wird. Diese Gender Bias kann man schon von Kindheitsbeinen an beobachten: Jungen wird oft Spielzeug wie Baukästen und Autos geschenkt, während Mädchen Puppen und Küchensets erhalten. Diese Praxis fördert stereotype Geschlechterrollen und beeinflusst die Interessen und Fähigkeiten der Kinder in einer Weise, die möglicherweise nicht ihren natürlichen Neigungen entspricht. - Age Bias
Der eine ist zu jung, die andere ist zu alt…
Es gibt viele verschiedene Stereotype über das Alter einer Person. Ältere Menschen können demnach nicht mit der Digitalisierung mithalten und junge Menschen der Generation Z haben keine Lust mehr auf Arbeit und sind faul. Diese Vorurteile sind ein Ausdruck von Unconscious Bias, die bewusst oder unbewusst auf das Alter einer Person als Grundlage für Diskriminierung abzielt.
Der wesentliche Unterschied zwischen der „Jugenddiskriminierung“ und der „Altersdiskriminierung“ liegt darin, dass die Phase des als „zu jung“ angesehenen Seins für die meisten mit der Akzeptanz als „Menschen im richtigen Alter“ endet. Im Gegensatz dazu kann die Diskriminierung älterer Menschen nicht einfach aufhören, wenn sie älter werden.
Zu den gängigen negativen Vorurteilen gegenüber älteren Menschen gehören unter anderem die Annahmen, dass sie eine geringere Leistungsfähigkeit haben, weniger flexibel und lernfähig sind, häufiger krank sind oder höhere Kosten verursachen. Diese Vorurteile erschweren es den Betroffenen, angemessen am Arbeitsleben und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
- Maternal Bias
Der Maternal Bias bezieht sich auf eine geschlechtsspezifische Voreingenommenheit, die sich auf Mütter oder Frauen in der Elternschaft konzentriert. Diese Form des Bias basiert auf Stereotypen und Erwartungen bezüglich der Rolle von Frauen als Mütter und den Auswirkungen dieser Rolle auf weitere Lebensinhalte wie Beziehungen oder Karriere.
Ein typisches Beispiel, wie sich Maternal Bias auf Frauen auswirkt, zeigt sich in der Kindererziehung. Stellen wir uns eine Situation vor, in der ein Elternpaar gemeinsam ein Kind erzieht. Trotz gleichberechtigter Partnerschaft und geteilter Verantwortung können unbewusste Vorurteile das Verhalten von Außenstehenden beeinflussen: Wenn das Kind krank ist und in der Schule abgeholt werden muss, wird oft automatisch die Mutter angerufen, nicht der Vater. Lehrer:innen, Erzieher:innen oder andere Eltern gehen unbewusst davon aus, dass die Mutter eher verfügbar und „zuständig“ für solche Notfälle ist.
Dieses Verhalten spiegelt den Maternal Bias wider: Die Annahme, dass Mütter die primären Betreuerinnen sind und für das Wohlergehen des Kindes hauptverantwortlich sein sollten. Väter werden so ausgeschlossen, ihnen wird Verantwortung entzogen oder sie können sich der Verantwortung einfacher entziehen. Das bedeutet für die Mutter, dass sie unter zusätzlichem Druck steht. Sie muss mehr Verantwortung übernehmen und spürt zudem mehr gesellschaftlichen Druck, immer für ihr Kind die Hauptverantwortliche zu sein.
- Halo-Effekt
“Was schön ist, ist auch gut”. Der Halo-Effekt beschreibt unsere Tendenz, von oberflächlichen Merkmalen auf die Persönlichkeit und die Kompetenzen einer Person zu schließen.
- Horn-Effekt
Der Horn-Effekt ist ein Begriff aus der Psychologie und bezeichnet eine Form des Bias oder der Voreingenommenheit, bei der eine negative Eigenschaft oder ein negativer Eindruck einer Person dazu führt, dass andere Aspekte der Person ebenfalls negativ bewertet werden. Anders gesagt, wenn eine Person eine negative oder unerwünschte Eigenschaft zeigt, neigen Menschen dazu, auch andere Aspekte dieser Person negativ zu bewerten, unabhängig von deren tatsächlicher Relevanz oder Erscheinung. - Social Proof
Social Proof bezieht sich auf das Phänomen, dass Menschen dazu neigen, ihr Verhalten und ihre Entscheidungen an den Handlungen und Meinungen anderer auszurichten, insbesondere wenn sie unsicher sind oder wenig Informationen haben. Dieses Konzept basiert auf der Annahme, dass das Verhalten anderer Menschen ein Indikator für angemessenes oder richtiges Handeln ist.
Ein einfaches Beispiel für Social Proof ist, wenn Menschen in einer unbekannten Stadt auf der Suche nach einem Restaurant sind. Wir neigen dazu eher in ein Restaurant zu gehen, das gut besucht ist und eine Schlange vor der Tür hat, als in ein leeres Restaurant.
Alle diese Formen von Unconscious Bias spielen nicht nur im Alltag eine Rolle, sondern entfalten ihre Wirkung besonders deutlich auch in Bewerbungsprozessen. Hier können sie die Entscheidungen von Personalverantwortlichen und Recruiter:innen maßgeblich beeinflussen – oft ohne, dass dies bewusst wahrgenommen wird.
Wie sich Unconscious Bias im Recruiting äußern und welche Maßnahmen helfen können, faire und objektive Entscheidungen zu fördern, kannst du hier nachlesen.
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Was wir gegen Unconscious Bias tun können
Wie das Beispiel aus den USA deutlich zeigt, können Unconscious Bias schwerwiegende Auswirkungen sowohl auf einzelne Personen als auch auf die gesamte Gesellschaft haben. Dass bestimmte Gruppen systematisch benachteiligt werden, ist ein gesamtgesellschaftliches und systematisches Problem.
Angesichts dieser Herausforderung stellt sich die Frage: Welchen Beitrag kann jede*r Einzelne leisten, um dem entgegenzuwirken?
Hier sind einige praktische Ansätze, die jede*r im Alltag umsetzen kann, um unbewusste Vorurteile zu reduzieren:
- Selbstreflexion: Frag dich: „Warum denke ich so über diese Person oder Situation?”. Oft hilft es, diesen Prozess zu verschriftlichen, zum Beispiel in einem Tagebuch.
- Informieren und weiterbilden: Lese Literatur, schaue dir Dokumentationen oder besuche Workshops zum Thema Diversität und Inklusion, um dein Verständnis zu vertiefen.
Wir empfehlen folgende Bücher:
- Kleine große Schritte – Jodi Picoult
- To Kill a Mockingbird (Wer die Nachtigall stört) – Harper Lee
- Der Report der Magd – Margaret Atwood
- Why we matter von Dr. Emilia Roig
- Exit racism – Tupoka Ogette
- Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten – Alice Hasters
- Sprache und Sein – Kübra Gümüşay
- Vorurteile. Wie unser Verhalten unbewusst gesteuert wird und was wir dagegen tun können – Mahzarin R. Banaji und Anthony G. Greenwald
Filme / Serien: - The Help
- Littel Fires everywhere
- The A Word
- Sprache bewusst einsetzen: Achte darauf, eine inklusive Sprache zu verwenden, die niemanden ausschließt oder herabwürdigt. Verwende geschlechtsneutrale Formulierungen und vermeide stereotype Ausdrücke.
- Vorurteile ansprechen: Habe den Mut, andere respektvoll auf mögliche Vorurteile hinzuweisen, wenn du diese bemerkst – sei es am Arbeitsplatz, im Freundeskreis oder in der Familie.
- Perspektivwechsel üben: Versuche dich in die Lage von anderen Menschen zu versetzen. Frage dich: “In welcher Situation ist diese Person gerade? Wie würde ich mich in seinen/ihren Schuhen fühlen?” und denke dann darüber nach, ob die Situation, in der sich die andere Person befindet, im Einklang mit deinem Gerechtigkeitssinn ist.
Unconscious Bias hat jedoch nicht nur im Alltag, sondern auch im Unternehmenskontext erhebliche Auswirkungen. In vielen Organisationen können unbewusste Vorurteile die Entscheidungen über Einstellungen, Beförderungen und Teamdynamiken beeinflussen. Dies führt nicht nur zu einer weniger diversen Belegschaft, sondern kann auch das Betriebsklima und die Innovationskraft eines Unternehmens beeinträchtigen. Um diesen Herausforderungen entgegenzuwirken, ist ein effektives Diversity Management unerlässlich. Durch gezielte Maßnahmen und Strategien können Unternehmen eine inklusive Kultur fördern und die Chancengleichheit für alle Mitarbeitenden gewährleisten.
Erfahre hier mehr über Diversity Management.
FAQ
Was sind Unconscious Bias?
Bias ist ein soziologischer Begriff und kommt aus dem Englischen. Auf deutsch bedeutet es Befangenheit, Vorurteil oder Voreingenommenheit und bezeichnet die subjektive Verzerrung unserer Wahrnehmung, Erinnerung und Meinungsbildung. Alle Menschen haben Biases, denn unser Denken, aber auch unsere Wahrnehmung und Erinnerung werden grundsätzlich durch bestimmte vorgefertigte Grundannahmen beeinflusst. Biases helfen uns im Alltag Informationen schnell einzuordnen. Oft greifen wir automatisch auf Informationen zurück.
So helfen uns Biases beispielsweise dabei, schnellere Entscheidungen beim Einkaufen zu treffen oder morgens durch gezielte Routinen, damit wir schneller aus dem Haus kommen. Durch Biases werden Entscheidungen und Informationen automatisiert.
Aber diese automatischen Rückgriffe auf vorhandene Stereotype oder Erfahrungswerte können vor allem in sozialen Situationen dazu führen, dass wir Situationen nicht objektiv wahrnehmen – dann spricht man von dem sogenannten Unconscious Bias oder auf deutsch den kognitiven Verzerrungen. Kognitive Verzerrungen sind systematische Denkfehler, durch welche die Wirklichkeit verzerrt wird. Anders als Vorurteile sind wir uns aber diesen Befangenheiten oder Voreingenommenheiten nicht bewusst. Ähnlich wie bei den Stereotypen gibt es auch positive Unconscious Bias. Unconscious Bias werden dann aber ein Problem, wenn sie zu Benachteiligungen und Diskriminierungen führen.