Unconscious Bias im Recruiting: Ene mene muh und raus bist du?!

Unconscious Bias im Recruiting

„Hiring people is an art, not a science, and resumes can’t tell you whether someonewill fit into a company’s culture.“ – Howard Schultz, Chairman Emeritus at Starbucks

Personalbedarf ermitteln, Anforderungsprofile erstellen, Stellenausschreibung schreiben, Lebensläufe screenen, Interviews führen, Auswahl treffen, Onboarding…
Die Schritte im Recruiting-Prozess sind fest definiert. Da kann einem so schnell nichts aus der Bahn werfen. Bei dem Auswahlprozess sieht das etwas anders aus: Wie entscheiden Recruiter:innen, welche Person die/der richtige/r Kandidat:in ist? Können hier tatsächlich objektive Entscheidungen getroffen werden oder haben weitere Faktoren Einfluss auf den Entscheidungsprozess? 

Unconscious Bias im Recruiting: Wie wir Entscheidungen treffen

Wir treffen jeden Tag bis zu 20.000 Entscheidungen. Die meisten davon treffen wir unbewusst und innerhalb von Millisekunden. Kein Wunder, denn unser Gehirn erhält etwa 11 Millionen Informationen pro Sekunde, von denen wir nur etwa 40 bewusst verarbeiten können.

Bauchentscheidung oder Kopfentscheidung?
Man kennt es – Im Alltag schalten wir oft den Autopiloten an. Beim Einkaufen greifen wir zu den bewährten Produkten, wir gehen in das gleiche Café wie immer oder wir meiden die Straßenbahn um 17.30 Uhr, weil sie dann immer so voll ist. Diese unbewussten Entscheidungen sind stark von sogenannten Biases geprägt, die auf unseren vergangenen Erfahrungen, kulturellen Prägungen und persönlichen Vorlieben basieren. Also sogenannte kognitive Verzerrungen oder Voreingenommenheiten, die unsere Wahrnehmung, Entscheidungen und Urteile beeinflussen. So können wir schnell Entscheidungen treffen und erleichtern damit unseren Alltag: Wir greifen unbewusst immer zu denselben Marken, weil wir diese als qualitativ hochwertiger einstufen (Marken-Bias), oder wir meiden bestimmte Situationen, weil wir negative Erfahrungen gemacht haben (Erfahrungs-Bias).


Generell unterscheidet man in der Forschung zwischen analytischen und nicht-analytischen Strategien zur Entscheidungsfindung. Bei der Anwendung analytischer Entscheidungsstrategien werden die Alternativen genau betrachtet und ihre Folgen bewertet. Die Situation wird genauestens analysiert, Vor- und Nachteile werden abgewogen, alle Parameter werden miteinbezogen. Beim Autokauf werden beispielsweise Preis, Leistung und Farbe sorgfältig abgewogen, oder ein einzelnes Kriterium wie die Farbe wird priorisiert.

Nicht-analytische Strategien hingegen sind oft von Erfahrungen, Intuition und Emotionen geprägt. Unconscious Biases können in diesen nicht-analytischen Entscheidungsprozessen besonders wirksam werden und beeinflussen unsere Urteile und Entscheidungen, ohne dass wir uns dessen bewusst sind.

In einer Entscheidungssituation für oder gegen einen Kandidaten oder eine Kandidatin wägen Recruiter:innen analytisch ab. Aber selbst wenn wir noch so gewissenhaft und analytisch Entscheiden wollen, laufen unbewusste Biases weiterhin in unserem Unterbewusstsein ab. Und bei wichtigen Entscheidungen siegen dennoch oft unsere Gefühle über unseren Verstand. Dies konnte der portugiesische Neurowissenschaftler Antonio R. Damasio in einer Studie nachweisen.
Eines ist klar, ob wir wollen oder nicht, wir werden unbewusst von unserem Unterbewusstsein bei Entscheidungsfindungen beeinflusst und so auch Recruiter:innen.

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Die Frage ist also:
Wie können wir uns dieser unbewussten Einflüsse im Recruiting bewusst werden und ihre potenziell negativen Auswirkungen minimieren?

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Unconscious Bias im Recruiting

Stellen wir uns vor, Firma Müller will mehrere Stellen im IT-Bereich besetzen. Die Firma sieht sich als progressiv und will Diversität und Inklusion fördern. Unbewusst, ohne es zu merken, wird aber ihre diverse und inklusive Policy torpediert, und zwar noch bevor potentielle neue Mitarbeiter:innen überhaupt einen Fuß in die Firma Müller gesetzt haben.

Denn im Recruiting-Prozess können unbewusste Vorurteile, Diversität und Inklusion untergraben. Ohne es bewusst zu merken, können Recuriter:innen Vorurteile gegenüber beispielsweise Frauen oder ausländischen Menschen haben. Vor allem bei Stellen wie im IT-Bereich wird unterschwellig geglaubt, dass Männer geeigneter sind (Gender-Bias). 
Diese Vorurteile sind unbewusst. Damit Firma Müller nun wirklich auf ganzer Linie und somit auch im Recruiting divers und inklusiv agieren kann, müssen Unconscious Bias im Recruiting erkannt und Gegenmaßnahmen etabliert werden. 

Der Schlüssel zur Veränderung liegt im Bewusstsein: Nur was wir erkennen und verstehen, können wir gezielt beeinflussen und verbessern. Daher besteht der erste Schritt darin, zu verstehen, welche Bedeutung und Konsequenzen Unconscious Bias im Recruiting-Prozess haben. Wir müssen lernen, welche Unconscious Bias es im Recruiting gibt und wie man sie erkennen kann. Denn nur ein bewusster Umgang mit Unconscious Bias im Recruiting öffnet Türen für neue Perspektiven und fördert eine Unternehmenskultur, die auf Gleichberechtigung und Chancengleichheit basiert.

Warum sind Unconscious Bias im Recruiting schädlich?

Recruiting ist mehr als nur die Besetzung offener Stellen – es ist der Schlüssel zur Zukunft eines Unternehmens. In diesem Prozess werden nicht nur Fähigkeiten und Erfahrungen bewertet, sondern auch Potenziale erkannt und Weichen für Innovation gestellt. Insbesondere zu Zeiten des Fachkräftemangels, in denen der Wettbewerb immer intensiver wird, sind Talente ein kritischer Faktor für Unternehmen. Denn nur so können Unternehmen im hart umkämpften Markt zukunftssicher bleiben. Unconscious Bias im Recruiting kann dazu führen, dass qualifizierte Bewerber:innen  aufgrund von unbewussten Vorurteilen übersehen werden, was nicht nur die Diversität im Unternehmen beeinträchtigt, sondern auch das Potenzial für Innovation und Wachstum einschränkt. In Deutschland, wo der demografische Wandel und der Mangel an Fachkräften besonders spürbar sind, ist es besonders wichtig, dass alle potentiellen Talente gesehen werden und unbewusste Vorurteile im Einstellungsprozess zu minimieren.


Daher ist es für Unternehmen in Deutschland besonders essentiell, sich mit dem Thema Unconscious Bias im Recruiting zu befassen, Voreingenommenheiten zu erkennen und zu überwinden. Nur so durch eine faire und effektive Personalauswahl können Unternehmen die besten Köpfe gewinnen und eine diverse, kreative Belegschaft aufbauen. 

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Wie können Recruiter Unconscious Bias im Bewerbungsprozess erkennen? 

Recruiter müssen sich sowohl über die verschiedenen Arten von Unconscious Bias im Recruiting Prozess bewusst sein, als auch in welchen Phasen des Bewerbungsprozesses diese zum Vorschein kommen können.

Diese Arten von Unconscious Bias beeinflussen den Recruiting-Prozess: 

  1. Affinitätsbias im Recruiting
    Der Affinitätsbias beschreibt unsere Tendenz, Menschen zu bevorzugen, die uns ähnlich sind. Im Recruiting-Kontext kann dies bedeuten, dass Personalverantwortliche unbewusst Kandidaten favorisieren, die ihnen in Hintergrund, Erfahrungen oder Persönlichkeit ähneln. So kann es sein, dass ein Recruiter eine Person unbewusst bevorzugt, weil sie auf derselben Universität ihren Abschluss erlangt hat wie er selbst. Oder sie kommen aus derselben Stadt, sprechen denselben Dialekt oder haben ein gemeinsames Hobby.

  2. Bestätigungsbias / Confirmation Bias
    Confirmation Bias bedeutet, dass wir gezielt nach Informationen suchen, die unsere bestehenden Überzeugungen stützen, anstatt objektiv alle verfügbaren Fakten zu berücksichtigen. Wir suchen also Bestätigung unserer Werte, Einstellungen, Erfahrungen etc. Dies führt oft dazu, dass wir Informationen ignorieren, die nicht zu unserer Sichtweise passen, und uns stattdessen nur auf solche Faktoren konzentrieren, die unsere Ansichten bestätigen. Im Recruiting-Prozess kann beispielsweise ein:e Personalverantwortliche:r einen ersten positiven Eindruck von einem Bewerber aufgrund dessen beeindruckenden Lebenslaufs erhalten. Während des Vorstellungsgesprächs neigt der/die Recruiter:in nun dazu, Informationen zu suchen und zu betonen, die diesen positiven Ersteindruck bestätigen. Er/Sie könnte beispielsweise die Erfolge und Stärken des Kandidaten überbewerten, während er/sie mögliche Schwächen oder Warnzeichen übersieht oder herunterspielt.

  1. Gender Bias
    Gender Bias, oder geschlechtsspezifische Voreingenommenheit, bezieht sich auf die Neigung, Geschlecht zu bevorzugen oder zu benachteiligen, basierend auf einer verzerrten Wahrnehmung der Geschlechterrollen in der Gesellschaft. Diese Voreingenommenheit entwickelt sich oft unbewusst im Laufe des Lebens und kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben.

    Menschen neigen dazu, bestimmte Eigenschaften, Fähigkeiten oder Verhaltensweisen mit einem bestimmten Geschlecht zu verknüpfen, ohne dass dies durch Fakten gestützt wird. So werden Männer oft als dominant, durchsetzungsfähig und logisch denkend wahrgenommen. Und werden gar als “geborene” Führungskräfte gefeiert. Frauen hingegen werden oft als emotional, wenig durchsetzungsfähig und übermäßig fürsorglich wahrgenommen. Dies sind alles Vorurteile, die sich in der Praxis so nicht bestätigen lassen. Dennoch führen sie dazu, dass Frauen tendenziell seltener in Führungspositionen gelangen als Männer.

    So wird Frauen auch oft nachgesagt, sie seien mathematisch oder technisch nicht so versiert wie Männer und es kann im Recruiting-Prozess dafür sorgen, dass Frauen, die sich auf MINT-Berufe bewerben, im Bewerbungsprozess benachteiligt werden. 
  1. Age-Bias
    Auch das Alter spielt im Recruiting-Prozess eine Rolle. So wird jungen Menschen oft nachgesagt, sie seien zu unerfahren oder zu faul und könnten nicht mit der erfahrenen Belegschaft mithalten. Die Frage ist jedoch: Können wir Erfahrung tatsächlich so objektiv bewerten? Erfahrung ist ein komplexes Konzept und höchst individuell, das sich nicht einfach in Jahren messen lässt. Manche Bewerber:innen können in einem Jahr mehr lernen als andere in drei Jahren. Zudem garantiert langjährige Erfahrung nicht automatisch die Fähigkeit, neuartige Probleme zu lösen. In der sich schnell wandelnden Arbeitswelt von heute stehen auch vermeintlich erfahrene Fachkräfte oft vor Herausforderungen, für die es keine bewährten Lösungen gibt. Daher sind Kompetenzen wie Kreativität sowie innovatives und kritisches Denken heute gefragter denn je, da sich diese Fähigkeiten nicht einfach quantifizieren lassen. Auf der anderen Seite wird älteren Menschen oft unterstellt, sie wären nicht mehr so anpassungsfähig, es fehle ihnen an technischem Wissen oder sie seien nicht mehr so stressresistent, weswegen dann oft die Auswahl auf eine jüngere Person fällt. Aber hey, bitte bloß nicht zu jung!?

    Recruiter müssen sich bewusst machen, dass Alter nur eine Zahl ist und dass weder Erfahrung in Jahren gemessen werden sollte noch Charaktereigenschaften wie Resilienz oder Anpassungsfähigkeit mit zunehmendem Alter abnehmen.

  2. Maternal Bias
    Der Maternal Bias bezieht sich auf eine geschlechtsspezifische Voreingenommenheit, die sich auf Mütter oder Frauen in der Elternschaft konzentriert. Diese Form des Bias basiert auf Stereotypen und Erwartungen bezüglich der Rolle von Frauen als Mütter und den Auswirkungen dieser Rolle auf ihre berufliche Leistungsfähigkeit und Karrierechancen.
    Typischerweise wird angenommen, dass Mütter und weibliche Erziehungspersonen weniger engagiert, weniger leistungsstark und weniger belastbar im Beruf sind als ihre männlichen Kollegen oder Frauen ohne Kinder. Außerdem seien Mütter weniger verfügbar oder flexibel.

    Diese Biases können dazu führen, dass Mütter weniger Chancen für herausfordernde Projekte oder berufliche Weiterentwicklung erhalten.
    Und aufgrund dieser Vorurteile kann es dann passieren, dass Mütter in beruflichen Situationen benachteiligt werden, sei es bei der Einstellung, Beförderung oder Gehaltsverhandlungen.

  3. Halo-Effekt
    Schöne Menschen haben es oft leichter im Leben. Denn wir alle neigen dazu, von oberflächlichen Merkmalen auf die Persönlichkeit und die Kompetenzen einer Person zu schließen. Rein nach dem Motto “Was schön ist, muss auch gut sein”. So haben es schöne Personen oft leichter im Bewerbungsprozess, aber nicht nur das, sie steigen später auch schneller die Karriereleiter auf und sie verdienen sogar mehr.

  4. Horn-Effekt
    Der Horn-Effekt ist ein psychologisches Phänomen und beschreibt, wie ein negativer Aspekt unserer Wahrnehmung einer Person die Gesamtwahrnehmung beeinflusst. Ein Beispiel für diesen Bias im Recruiting-Prozess wäre, wenn ein Bewerber in einem Vorstellungsgespräch nervös wirkt und dadurch möglicherweise weniger selbstbewusst erscheint. Ein Recruiter könnte daraufhin annehmen, dass der Bewerber generell wenig Selbstvertrauen hat und auch in anderen Bereichen nicht kompetent ist, obwohl Nervosität in einem Vorstellungsgespräch nicht zwangsläufig etwas über die beruflichen Fähigkeiten oder die tatsächliche Eignung für die Stelle aussagt.



In welchen Phasen kann Unconscious Bias den Recruiting-Prozess beeinflussen?
Grundsätzlich kann es in jeder Phase dazu kommen, dass unbewusste Vorurteile und kognitive Verzerrungen den Bewerbungs- und Auswahlprozess negativ beeinflussen. So können Stellenausschreibungen so geschrieben sein, dass sie nicht alle Personen ansprechen oder insbesondere nur Männer ansprechen. In der Bewerber:innen-Auswahl können Menschen aufgrund ihres Geschlechts oder Alters übergangen werden. In Bewerbungsgesprächen können besonders attraktive Menschen bevorteilt werden. Kurzum: Unconscious Biases lauern in allen Phasen des Recruiting-Prozesses. Deswegen ist es wichtig, sich Strategien zu erarbeiten, die Unconscious Bias in allen Bewerbungs- und Auswahlprozessen beleuchten und Diversity und Inclusion fördern. 

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Strategien zur Reduzierung von Unconscious Bias im Recruiting 

Zunächst einmal liegt es auf der Hand, dass HR-Mitarbeiter:innen geschult werden müssen. Denn: “Der Schlüssel zur Veränderung liegt im Bewusstsein”. Nur was wir bewusst erkennen, können wir auch verändern. Daher sollten Unternehmen Schulungen, Workshops und Trainings für ihr HR-Team anbieten. Denn HR ist oft der Schritt für mehr Diversity und Inclusion. Wenn hier der Samen nicht gesät wird, kann der positive Wandel im Unternehmen nicht nachhaltig gedeihen. Nur durch gezielte Bildung und Sensibilisierung der HR-Abteilung können unbewusste Vorurteile abgebaut und ein inklusiveres Arbeitsumfeld geschaffen werden.

Im nächsten Schritt müssen sich HR-Teams dann konkrete Maßnahmen überlegen, wie sie ihre Unconscious Biases im Bewerbungsprozess challengen oder besser gesagt ablegen können. Mit Hilfe folgender Strategien kann dem “Ene-Mene-Muh-Spiel” im Recruiting ein Ende gesetzt werden. Denn nur durch strategische, transparente, geplante und somit nachvollziehbare Verfahren können Unconscious Biases im Bewerbungsverfahren abgebaut werden.



1. Gestaltung von geschlechtersensiblen Stellenausschreibungen 

“Die Diskriminierung steckt oft im Detail”. Stellenausschreibungen werden oft so formuliert, dass vor allem Männer sich angesprochen fühlen. Sie widerspiegeln einen Ton, der oft insbesondere vermeintlich männliche Fähigkeiten fordert: analytisch, direkt, durchsetzungsfähig. So konnten Studien auch nachweisen, dass Frauen sich weniger auf Stellen bewerben, wenn durchgehend das generische Maskulinum verwendet wird.

Wie können also inklusive und diverse Stellenausschreibungen geschrieben werden? 

  • Verwenden von inklusiver Sprache – Es sollte so oft wie möglich genderneutrale Formulierungen verwendet werden. Aus der Stellenausschreibung sollte hervorgehen, dass nach einer Person gesucht wird, unabhängig von Geschlecht und Geschlechtsidentität sowie anderen persönlichen Merkmalen. 
  • Hinweise auf flexible Arbeitsmodelle – insbesondere für Personen, die weitere Verpflichtungen wie Pflege von Angehörigen oder Kindererziehung wahrnehmen müssen, ist es wichtig, sie nicht direkt mit der Stellenanzeige abzuschrecken. 
  • Nur relevante Anforderungen aufzählen. Viele Menschen bewerben sich nicht auf Stellen, bei denen sie denken, dass sie nicht 100% die Kriterien erfüllen. Die Stellenanzeige sollte klar stellen, welche Qualifikationen zwingend erforderlich sind und welche nur ein Nice-to-Have sind.
  • Ein kleiner Verweis am Ende der Stellenausschreibung – „Wir ermutigen ausdrücklich alle Bewerber:innen, sich zu bewerben, selbst wenn sie nicht alle Anforderungen zu 100% erfüllen. Wir wissen, dass perfekte Kandidaten selten sind und schätzen Vielfalt und unterschiedliche Perspektiven in unserem Team. Wenn Sie glauben, dass Sie die meisten Qualifikationen mitbringen und motiviert sind, neue Fähigkeiten zu erlernen, freuen wir uns auf Ihre Bewerbung.“

2. Anonymisierte Bewerbungsverfahren 

Beim Screening von Bewerbungsunterlagen kann es oft dazu kommen, dass Stereotype oder Unconscious Bias die Entscheidung der Recruiter:innen beeinflussen. Hier können vor allem Ähnlichkeits-Bias, Gender-Bias, der Halo-Effekt oder Age-Bias zum Vorschein kommen. Eine Gegenmaßnahme sind anonymisierte Bewerbungsverfahren, welche einige Unternehmen bereits durchführen. Bei diesen Verfahren werden persönliche Daten wie Name, Geschlecht, Alter oder Herkunft der Bewerber anonymisiert, sodass diese Informationen nicht in die erste Bewertung einfließen – dafür können extra angefertigte Bewerbungsmasken auf der Webseite des Unternehmens hilfreich sein, um nur die wichtigsten Informationen der Bewerbenden abzufragen. Auf diese Weise können Entscheidungen objektiver getroffen werden, da die Auswahlkriterien ausschließlich auf den fachlichen Qualifikationen und Erfahrungen basieren. Dies reduziert das Risiko von Vorurteilen oder Stereotypen, die die Rekrutierung beeinflussen könnten, und fördert eine faire und inklusive Auswahl.


3. Standardisierung des Screenings 

Um eine faire und transparente Bewerberauswahl zu gewährleisten, ist es entscheidend, vor Beginn des Screenings klare und konsistente Auswahlkriterien festzulegen. Diese Kriterien sollten spezifisch auf die Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle abgestimmt sein und eine hohe Aussagekraft besitzen. Dazu gehören beispielsweise:

  • Berufserfahrung: Die Relevanz und Dauer der bisherigen beruflichen Tätigkeiten in Bezug auf die ausgeschriebene Position.
  • Fachliche Qualifikationen: Bildungshintergrund, spezifische Fachkenntnisse und relevante Weiterbildungen, die im Zusammenhang mit den Anforderungen der Stelle stehen.
  • Kompetenzen und Fähigkeiten: Nachweisbare Fähigkeiten, die direkt zur Erfüllung der Aufgaben und Anforderungen der Position beitragen.

Außerdem sollten von vornherein klare Regeln für die Bewertung der Dokumente aufgestellt werden: Wie sollen die einzelnen Kriterien gewichtet und bewertet werden? Was ist am wichtigsten für uns? Was gewichten wir mehr, spezifische Fachkenntnisse oder Kompetenzen? 


4. Strukturierte Interviews

Durch einheitliche Fragen und festgelegte Bewertungsrichtlinien wird sichergestellt, dass alle Bewerber:innen nach denselben Kriterien beurteilt werden. Jedes Merkmal sollte dabei über mehr als eine Frage erfasst werden. So bewertet man Menschen dafürt, was sie sagen und nicht dafür, wer genau einem gegenübersitzt. Es geht darum zu prüfen, wie die Person zu der Rolle passt, die man besetzen will. 

Durch einen anderen Prozess, wie eben einen strukturierten Fragebogen, challenged man das eigene Urteil viel mehr. 

Die Fragen, ihre Reihenfolge und der Umgang mit Nachfragen oder Fragen nach zusätzlichen Informationen sollten in einem sogenannten Leitfaden schriftlich festgehalten werden.


5. Diverse Recruiting-Teams

Die Zusammenstellung eines vielfältigen Recruiting-Teams trägt dazu bei, Unconscious Biases im Einstellungsprozess zu reduzieren. Ein Team aus Personen mit unterschiedlichen Hintergründen, Erfahrungen und Perspektiven hilft, blinde Flecken aufzudecken und eine ausgewogene Bewertung der Bewerbenden zu ermöglichen. So werden verschiedene Sichtweisen in den Auswahlprozess eingebracht und potenzielle Vorurteile einzelner Teammitglieder ausgeglichen.




All diese Tipps und Strategien sind wichtige Schritte, um Unconscious Bias im Recruiting zu minimieren und einen faireren Bewerbungsprozess zu gestalten. Doch damit Maßnahmen wie strukturierte Interviews oder anonymisierte Bewerbungsverfahren überhaupt ihre volle Wirkung entfalten können, braucht es vor allem eines: Awareness.

Das Bewusstsein für die eigenen Vorurteile und deren potenzielle Auswirkungen ist der entscheidende erste Schritt. Ohne diese Sensibilisierung bleibt es schwierig, tief verankerte Denkmuster zu erkennen und zu verändern.

Daher: Du willst dein Recruiting nachhaltig verändern? Dann lerne hier mehr über die Kraft der. Awareness!


FAQ

Was sind Unconscious Bias?

Bias ist ein soziologischer Begriff und kommt aus dem Englischen. Auf deutsch bedeutet es Befangenheit, Vorurteil oder Voreingenommenheit und bezeichnet die subjektive Verzerrung unserer Wahrnehmung, Erinnerung und Meinungsbildung. Alle Menschen haben Biases, denn unser Denken, aber auch unsere Wahrnehmung und Erinnerung werden grundsätzlich durch bestimmte vorgefertigte Grundannahmen beeinflusst. Biases helfen uns im Alltag Informationen schnell einzuordnen. Oft greifen wir automatisch auf Informationen zurück. So helfen uns Biases beispielsweise dabei, schnellere Entscheidungen beim Einkaufen zu treffen oder morgens durch gezielte Routinen, damit wir schneller aus dem Haus kommen. Durch Biases werden Entscheidungen und Informationen automatisiert. Aber diese automatischen Rückgriffe auf vorhandene Stereotype oder Erfahrungswerte können vor allem in sozialen Situationen dazu führen, dass wir Situationen nicht objektiv wahrnehmen – dann spricht man von dem sogenannten Unconscious Bias oder auf deutsch den kognitiven Verzerrungen. Kognitive Verzerrungen sind systematische Denkfehler, durch welche die Wirklichkeit verzerrt wird. Anders als Vorurteile sind wir uns aber diesen Befangenheiten oder Voreingenommenheiten nicht bewusst. Ähnlich wie bei den Stereotypen gibt es auch positive Unconscious Bias. Unconscious Bias werden dann aber ein Problem, wenn sie zu Benachteiligungen und Diskriminierungen führen.