Frauenquote: Gleichstellung per Gesetz

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285 Jahre – Laut UN Women wird es fast 300 Jahre dauern, bis Männer und Frauen gleichgestellt sind. Das heißt, weder wir, noch unsere Kinder, noch unsere Enkel, noch deren Nachkommen werden in einer geschlechtergerechten Welt leben… Eine niederschmetternde Zahl.

Und diese düstere Prognose spitzt sich noch weiter zu. UN Women beobachtet einen besorgniserregenden negativen Trend: Globale Krisen wie die COVID-19-Pandemie, gewaltsame Konflikte und der Klimawandel haben die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern weiter verstärkt. Doch nicht nur weltweite Krisen tragen zu diesem Rückschritt bei. In vielen Ländern wurden in den letzten Jahren die Rechte von Frauen massiv eingeschränkt. Beispiele hierfür sind die gravierenden Beschneidungen der Frauenrechte in Afghanistan, der erschwerte Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in den USA und der Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention zum Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt.

Aus der Traum von Gender Equity? 

Die Frauenquote – Retter in der Not?!

Eines ist klar: Gender Equity fällt nicht einfach so vom Himmel. Um Gendergerechtigkeit zu erreichen, versucht die Politik gegenzusteuern, und in den letzten Jahrzehnten hat sich auch einiges getan. Es wurden Maßnahmen und Gesetze verabschiedet, die absichern sollen, dass Männer und Frauen gleichgestellt werden, wie beispielsweise ein gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Ein Thema, das in diesem Zusammenhang oft und hitzig diskutiert wird, ist die Frauenquote.

Was ist die Frauenquote?

Die Frauenquote ist eine geschlechterbezogene Quotenregelung, die vorschreibt, dass ein bestimmter Anteil an Frauen in Führungspositionen vertreten sein muss. Diese Regel soll sicherstellen, dass Frauen die gleichen Chancen haben wie Männer, wichtige und einflussreiche Positionen zu besetzen, und soll somit zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beitragen. Die Frauenquote wurde im März 2015 vom Bundestag als „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ verabschiedet. Dieses Gesetz schreibt vor, dass mindestens 30 Prozent der Mitglieder in Aufsichtsräten von Unternehmen, die börsennotiert und mitbestimmungspflichtig sind, Frauen sein müssen. Diese Regelung gilt für alle neuen Besetzungen seit dem Jahr 2016.

Seit 2021 wurde das Zweite Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II) verabschiedet, das eine Weiterentwicklung des ursprünglichen Gesetzes darstellt. Eine zentrale Neuerung ist ein Mindestbeteiligungsgebot für Vorstände mit mehr als drei Mitgliedern in großen deutschen Unternehmen. Ein Mindestbeteiligungsgebot von einer Frau gilt für Vorstände mit mehr als drei Mitgliedern von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen. Davon werden 66 Unternehmen betroffen sein, von denen aktuell 21 keine Frau im Vorstand haben.

Das Führungspositionen-Gesetz oder auch umgangssprachlich “Frauenquote” genannt wird von einigen Menschen kritisiert, weil sie glauben, dass Positionen nach Qualifikation und nicht nach Geschlecht besetzt werden sollten. Sie glauben, dass eine Quote Frauen das Gefühl vermittle, dass sie nur aufgrund ihres Geschlechts befördert werden oder eine Führungsposition erhalten. Manche halten eine solche Regelung für ungerecht, weil sie Männer benachteilige. 

Warum gibt es die Frauenquote? 

Frauen machen 50,7% der deutschen Bevölkerung aus. Und trotzdem ist nur jede dritte Führungskraft (28,9 %) weiblich und nur jedes fünfte Vorstandsmitglied der leitenden Gremien der 160 DAX, MDAX und SDAX-Konzerne ist eine Frau (18,4%). Auch beim Blick in die Medizin wird der Anteil von Frauen in Führungspositionen nicht größer. Bundesweit liegt der Schnitt von Chefärztinnen an Universitätskliniken bei gerade mal 13 Prozent. Auch in der Politik ist die Frauenquote nicht annähernd im Geschlechterverhältnis. Im Deutschen Bundestag beträgt der Frauenanteil 31,4 %.

Wie kann es sein, dass Frauen mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, dennoch so unterrepräsentiert sind? 

Sind Führungspositionen immer noch Chefsache?

Wird man also als Vorgesetzter geboren? Haben männliche Personen also einen Vorteil, wenn es darum geht, Führungspositionen zu besetzen, einfach nur darum, weil sie mit dem “richtigen” Geschlecht geboren wurden?

Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern hat eine lange Tradition. Dabei war Ungleichheit lange Zeit nicht nur auf die Arbeitswelt reduziert. Wenn wir uns die Geschichte der Frauenrechte anschauen, wird klar, warum wir eine Frauenquote brauchen.

Diversity und Führung - Frauenquote

Die Geschichte der Frauenrechte in Deutschland

Dass Frauen wählen dürfen, ein Auto fahren oder ein eigenes Konto besitzen dürfen, scheint uns heute selbstverständlich. Dass Frauen zu diesen grundlegenden Rechten kamen, ist jedoch eine relativ neue Errungenschaft.

Über Jahrhunderte hinweg waren Frauen in Deutschland rechtlich und gesellschaftlich massiv benachteiligt. Sie galten als unmündig und unterstanden der Vormundschaft ihrer Ehemänner oder Väter. Erst im Zuge der bürgerlichen Frauenbewegung im 19. Jahrhundert begannen sich die Dinge langsam zu ändern.

1908 erhielten Frauen in Preußen das Recht, an Universitäten zu studieren. 1918, nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, wurde das Frauenwahlrecht in Deutschland eingeführt. Frauen durften fortan wählen und sich wählen lassen. Ein Meilenstein auf dem beschwerlichen Weg zur Gleichberechtigung. Zudem das Recht auf Erwerbstätigkeit und Bildung. Außerdem sollte die Gesellschaft umgestaltet werden – auf einer neuen sittlichen Grundlage. Die erste Reichstagswahl mit Frauenwahlrecht fand 1919 statt: 41 weibliche Abgeordnete zogen in die Weimarer Nationalversammlung ein. Fast 90 Prozent der Frauen gingen wählen.

Die Zeit des Nationalsozialismus bedeutete jedoch einen enormen Rückschritt für die Frauenrechte. Das diktatorische Regime propagierte ein traditionelles Frauen- und Familienbild. 

1949 verankerte zwar das Grundgesetz der neu gegründeten Bundesrepublik Deutschland in Artikel 3 Absatz 2 das Gebot der Gleichberechtigung: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ In der Praxis bestand jedoch weiterhin eine Ungleichbehandlung in vielen Bereichen fort. Zum Beispiel bedurfte es noch bis 1977 noch der Zustimmung des Ehemannes, wenn eine Frau einer Erwerbstätigkeit nachgehen wollte.

Auch in Familienangelegenheiten hatte der Mann rechtlich das letzte Wort. Erst durch die Neufassung des Bürgerlichen Gesetzbuches und der Eherechtsreform 1958 wurden die letzten Reste der Geschlechtsvormundschaft beseitigt. Lange war darum gerungen worden. Der Gehorsamsparagraf  konnte beispielsweise nur durch Proteste in der Regierung abgeschafft werden. Ab diesem Zeitpunkt galten Mann und Frau rechtlich als völlig gleichberechtigt in der Ehe und Familie. Viele weitere wichtige Meilensteine der Frauenrechtsbewegung kamen erst in den folgenden Jahrzehnten dazu.

1962: Frauen dürfen erstmals ohne Zustimmung des Mannes ein eigenes Bankkonto eröffnen

1969: Verheiratete Frauen werden als geschäftsfähig angesehen.

1974: Straffreie Schwangerschaftsabbrüche 

1977: Frauen dürfen ohne die Zustimmung ihres Ehemanns arbeiten gehen. 

1977: Abschaffung der “Hausfrauenehe“, in der die Frau zur Haushaltsführung verpflichtet war. 

1977: Der Straftatbestand der Vergewaltigung gilt auch innerhalb einer Ehe. Vorher war sexuelle Gewalt in der Ehe allenfalls Körperverletzung und Nötigung.  

1993: Erste Ministerpräsidentin eines Bundeslandes – Heide Simonis

2004: Erste Frau in der Vorstandsetage eines Dax-Unternehmens

2005: Erste Bundeskanzlerin – Angela Merkel 

2015: Gesetzliche Verankerung der Frauenquote im FüPoG (Führungspositionen-Gesetz) 

Warum brauchen wir die Frauenquote? 

Es gibt einige Kritiker, die finden: “Feminismus ist im 21. Jahrhundert obsolet!” Getreu dem Motto: “Was wollt ihr denn noch?” predigen sie, dass Frauen und Männer doch eh längst gleichgestellt sind und eine Frauenquote ist in dieser Logik natürlich überflüssig oder gar männerfeindlich.

Aber ist das so? Sind Frauen und Männer in Deutschland gleichgestellt? Wie steht es heute um die Geschlechtergleichheit in Deutschland?

Ein wichtiger Indikator für Genderungerechtigkeit ist der Unterschied des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes zwischen Männern und Frauen herangezogen – der sogenannte Gender Pay Gap. Dieser lag 2023 bei 18%. Das heißt, Frauen verdienen in Deutschland rund ein Fünftel weniger als Männer.

Unbereinigter Gender Pay Gap:
Der unbereinigte Gender Pay Gap berechnet sich als prozentuale Differenz zwischen den durchschnittlichen Bruttostundenverdiensten von Frauen und Männern, ohne andere Faktoren wie Beruf, Branche, Qualifikation, Berufserfahrung oder Arbeitszeit zu berücksichtigen. 

Bereinigter Gender Pay Gap
Im Gegensatz dazu berücksichtigt der bereinigte Gender Pay Gap Faktoren wie Branche, Qualifikationen, Berufserfahrungen oder Arbeitszeit, um den Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen in vergleichbaren Positionen und mit ähnlichen Qualifikationen zu messen. Das heißt, es ist lediglich ein Vergleich zwischen Männern und Frauen in derselben Branche, in derselben Berufssituation. 

Das bedeutet, der unbereinigte Gender Pay Gap zeigt den gesamtgesellschaftlichen Unterschied und der bereinigte Gender Pay Gap misst die Lohnungleichheit bei gleicher Arbeit. Sowohl der unbereinigte als auch der bereinigte Gender Pay Gap sind Richtwerte für die Geschlechterungleichheit in einem Land – nur mit jeweils einem anderen Fokus. Damit liegt Deutschland im EU-Vergleich auf den hinteren Plätzen, nur Estland, Österreich und Tschechien weisen einen noch höheren geschlechtsspezifischen Verdienstabstand als Deutschland auf.

Deutschland, Europas Industrienation, hat eine der größten Gender Pay Gaps in Europa. Liebes Deutschland, was ist da los?

Angesichts dieser “Spitzenposition” wird die Diskussion über eine Frauenquote besonders relevant, denn Menschen in höheren Positionen verdienen mehr und Frauen sind in solchen Positionen nach wie vor unterrepräsentiert. Und man sollte meinen, dass gerade Deutschland eine gewisse Verantwortung und Vorbildfunktion innehält. Und wie wir alle aus Spiderman wissen: „Aus großer Kraft folgt große Verantwortung.”

Back to reality: Lange Zeit schien es so, dass deutsche Firmen sich dieser Verantwortung entziehen oder besser gesagt irgendwie drumherum kommen wollten. Die Verabschiedung der gesetzlichen Verankerung der Frauenquote war ein langes Tauziehen. Bereits 2011 versuchten die Bundesministerin für Arbeit und Soziales Ursula von der Leyen und die Familienministerin Kristina Schröder (CDU) eine Quote für mehr Frauen in den Führungsgremien der DAX-Konzerne zu durchsetzen. Allerdings lehnte die Wirtschaft den Vorschlag ab und hat eine freiwillige Umsetzung gefordert. Die Verantwortlichen hatten versprochen, dass sie freiwillig und eigenständig den Anteil der Frauen in den Chefetagen erhöhen wollen.

Rückblickend zeigt sich, dass aus großer Kraft eben auch großer Einfluss folgt und der soll aber bitte dort bleiben, wo er Jahrhunderte lang war. Getreu nach dem Motto: “So haben wir es immer schon gemacht”, hat sich die Quote der Frauen in den Vorständen und Chefetagen in den Folgejahren nicht erhöht. Sie blieb auf dem gleichen niedrigen Niveau wie schon die Jahre davor.

Es ist nicht sonderlich überraschend, dass in einem patriarchalen System Versprechungen á la “Wir werden mehr Frauen in die Chefetagen holen” nicht funktionieren. Macht abgeben und Verantwortung übernehmen, ist keine leichte Aufgabe, vor allem wenn es Jahrhunderte lang nie gefordert oder umgesetzt wurde. Man kann darüber diskutieren, ob es die Macht der Gewohnheit ist oder Angst vor Veränderung oder aber vielleicht auch einfach die Tatsache, dass Veränderungen Zeit brauchen. Trotzdem musste 2015 die Frauenquote gesetzlich verankert werden. Die lessons learned aus den Jahren 2011 und 2015 zeigen eindeutig: Nur verbindliche Vorgaben führen zu Verbesserungen. 

Untersuchungen haben gezeigt, dass durch die gesetzliche Verankerung der Frauenanteil in Aufsichtsräten signifikant gesteigert werden konnte. Auch wurden Unternehmen, die der festen Quote unterliegen, für das Thema Gleichstellung zunehmend sensibilisiert. Das zeigt sich in Besetzungsverfahren und häufig in besser organisierten Strukturen, um den Aufstieg von Frauen zu fördern.

Also ja, Gleichstellung per Gesetz scheint in unserer derzeitigen gesellschaftlichen Situation der Wegbereiter für Gleichberechtigung – Und somit ist an dieser Stelle Vertrauen gut, Kontrolle aber besser.

Allerdings braucht es mehr als nur Gesetze, um wahre Veränderung herbeizuführen. Wir haben in unserer Studie Frauen wollen führen – aber unter anderen Vorzeichen“ herausgefunden, dass es einer grundlegenden Veränderung der Unternehmenskultur bedarf. Denn Frauen wollen führen, doch oft verhindern systemische und organisatorische Barrieren, dass sie in Führungspositionen gelangen.

Was Frauen brauchen, um zu führen, kannst du hier lesen.

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“Du bist eh nur Quotenfrau” – Was hat die Frauenquote bisher gebracht? 

Die Frauenquote sorgt für viel Diskussion. Kann sie aber im Endeffekt für mehr Gerechtigkeit sorgen? Was hat sich seit ihrer Verabschiedung im Jahr 2015 verändert? 

In den Unternehmen der Privatwirtschaft, die der gesetzlichen Frauenquote für Aufsichtsräte unterliegen, ist der Anteil der Frauen seit Einführung der Quote 2015 stetig angestiegen. Von anfänglich 25 Prozent stieg er bis 2017 auf 32,5 Prozent und erreichte in diesem Jahr bereits 35,2 Prozent. Im Kontrast dazu liegt der Frauenanteil in den Aufsichtsräten von Unternehmen, für die die Quote nicht gilt, mit lediglich 19,9 Prozent deutlich niedriger. Die verpflichtende Quotenregelung zeigt hier ihre Wirksamkeit, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. 


Auch hat sich der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der DAX-Unternehmen erhöht. In diesem Jahr hat er sogar einen Rekordwert von über 40 Prozent erreicht. Dennoch bleiben Führungspositionen für Frauen in den Kontrollgremien der 40 größten und wertvollsten Frankfurter Börsenunternehmen nach wie vor eine seltene Ausnahme. Die Vorsitzenden dieser Aufsichtsräte sind nämlich immer noch zu 95 Prozent männlich. Auch der Frauenanteil in den Führungsgremien der 160 börsennotierten Unternehmen hat sich im Jahr 2023 erhöht. So waren 2023 die DAX, MDAX und SDAX Unternehmen mit 574 Männern und 121 Frauen besetzt. Das sind 25 Männer weniger und 22 Frauen mehr als im Jahr 2022. Nichtsdestotrotz sind immer noch knapp 83 Prozent der Vorstandsmitglieder Männer.

Es zeigt sich: Die Frauenquote wirkt!

Dennoch wird die Frauenquote kritisiert. Und die Kritik kommt unter anderem auch von Frauen selbst – sie wollen nicht als „Quotenfrauen“ abgestempelt werden. Sie möchten für ihre Leistungen und Fähigkeiten anerkannt werden, nicht dafür, dass sie lediglich die Quote erfüllen. Sie möchten nicht dastehen als jemand, der die Stelle womöglich nicht wirklich verdient hat, ihr nicht gewachsen ist oder nicht die nötigen Kompetenzen mitbringt. Diese Bedenken sind nachvollziehbar, offenbaren aber ein Dilemma: Frauen werden benachteiligt, müssen sich dann jedoch rechtfertigen, wenn sie Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung in Anspruch nehmen. Es entsteht der Eindruck, dass Frauen erneut die Hauptlast des Problems tragen müssen – Also Leidtragende und dennoch wieder einmal Buhmann. 

Es ist wichtig, solche Denkmuster zu hinterfragen. Die Quote ist ein Instrument, um strukturelle Ungleichheiten zu adressieren, nicht um individuelle Leistungen zu schmälern. Sie schafft Chancen, die Kompetenz bleibt ausschlaggebend. Und seien wir doch mal ehrlich: Kein Unternehmen würde es sich leisten wollen, einfach irgendeine Frau einzustellen. Sie werden sie auf ihre Erfahrungen und Kompetenzen prüfen. Einfach nur irgendjemand Zufälliges wird nicht in die Chefetage gehoben. Das heißt, nach wie vor entscheiden Kompetenzen – auch mit Frauenquote – der einzige Unterschied ist, dass früher Frauen erst gar nicht als Führungskraft eingestellt worden wären. Einfach aus dem einfachen Grund, weil sie Frauen sind und Führung ist Chefsache. Also männlich.

Und trotz, oder besser gesagt wegen der Frauenquote, zeigen sich die Stellschrauben, an denen wir als Gesellschaft noch arbeiten müssen: die unbewussten Vorurteile (engl. Unconcious Bias). Zwar können Maßnahmen eine Gesellschaft in die richtige Richtung lenken, dennoch müssen sich vor allem die tief verwurzelten traditionellen Rollenbilder und Geschlechterklischees auflösen. Wenn dies nicht geschieht, wird es auch in zehn Jahren noch notwendig sein, Unternehmen eine Frauenquote aufzuerlegen, weil Führung immer noch als ein männliches Attribut angesehen wird.

Letztendlich muss sich die Grundeinstellung wandeln, dass Führungspositionen naturgemäß Männern zustehen oder dass Führungspersonen männlich sein müssen.  Solange dieser Gender Bias in den Köpfen existiert, werden Frauen stets als Quoten-Frauen wahrgenommen, statt als ebenso qualifizierte Führungskräfte. 

Diversity und Führung - Frauenquote

Ein Plädoyer für die Frauenquote 

Auch wenn es nach wie vor so ist, dass es für echte Geschlechtergerechtigkeit mehr Maßnahmen und vor allem eine gesellschaftliche Transformation bedarf, ist die Frauenquote ein wirkungsvolles und sinnvolles Instrument.

Gehen wir einmal zurück zu den alten Griechen und fragen uns: Was ist überhaupt gerecht? Denn schon Aristoteles hat sich mit dieser Frage beschäftigt. Und für sie war klar: Gleichheit ist nicht Gerechtigkeit. Er unterscheidet zwischen numerischer Gleichheit und proportionaler Gleichheit. Einfacher formuliert: Ist es gerecht, wenn alle dasselbe Stück Kuchen bekommen (numerische Gleichheit), egal wie viel Hunger sie haben? Oder sollten Menschen, die aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht so viel zu essen haben, ein größeres Stück Kuchen abbekommen (proportionale Gleichheit)? 

Wenn wir diese Argumentationsstruktur auf die Gender-Ungleichheit und die Frauenquote beziehen, ist dann nicht logisch, dass Frauen zurzeit noch eine externe “Starthilfe” brauchen? Schließlich haben sie über Jahrhunderte den „kleineren Anteil“ zugestanden bekommen und wurden systematisch von Macht und Einfluss ausgeschlossen. Die Frauenquote gleicht dieses historische Ungleichgewicht aus und stellt somit proportionale statt rein numerische Gleichheit her.

Stellen wir uns die Situation einmal bildlich vor:
Es wird ein Autorennen veranstaltet. Wer als Erster auf der Ziellinie eintrifft, bekommt die Führungsposition. Zum Rennen sind angetreten: Ein neuer und aufgetunter Ferrari (weiße Männer) und ein älterer Rennwagen, der nicht weiter ausgestattet ist (Frauen). Natürlich kommt der Ferrari als Erstes im Ziel an.

Frauen brauchen in dieser ungleichen Ausgangslage einen Vortritt oder Unterstützung, um faire Wettbewerbsbedingungen herzustellen.

Die Frauenquote gleicht diesen „Technikvorsprung“ der Männer aus, der sich über Jahrhunderte der Privilegien und Bevorzugung in der Gesellschaft aufgebaut hat.


Aus aristotelischer Gerechtigkeitsperspektive ist die Quote folglich eine notwendige temporäre Maßnahme, um der strukturellen Benachteiligung von Frauen entgegenzuwirken. Sie schafft Startchancengleichheit, indem sie Frauen jene beruflichen Möglichkeiten und Aufstiegschancen eröffnet, die ihnen lange vorenthalten wurden. 

Best Practices Frauenquote 

Frauen und Führung – Wie sich zeigt, ist es immer noch Zukunftsmusik, zumindest was den gleichberechtigten Anteil in Führungspositionen betrifft. Trotz aller Fortschritte und gesetzlicher Maßnahmen ist der Weg zu echter Gleichberechtigung in der Unternehmensführung noch lang. Es bedarf nicht nur Quoten, sondern auch eines tiefgreifenden kulturellen Wandels. Unternehmen müssen aktiv daran arbeiten, eine inklusivere Arbeitsumgebung zu schaffen, die Diversität fördert und unterstützt.

Dass Männer und Frauen in Führungspositionen noch nicht gleichgestellt sind, liegt zum einen an den bestehenden gesellschaftlichen Strukturen, aber zum anderen auch daran, dass Frauen oft andere Bedürfnisse an die Arbeitskultur haben als Männer. Frauen haben oft noch weitere Verpflichtungen: Sie sind Mütter, leisten immer noch den größten Teil der Care-Arbeit, verpflegen andere Familienmitglieder. Wird ihnen eine Beförderung vorgeschlagen, müssen sie noch X andere Parameter mit in ihre Überlegungen einbeziehen: Wie viele Stunden muss ich dann mehr arbeiten? Kann ich das mit meinen Kindern vereinbaren? Wer holt mein Kind vom Kindergarten ab?…

Um diese Sorgen zu veranschaulichen, stellen wir uns ein Orchester vor, das traditionell nur klassische Musik gespielt hat. Nun möchte es Jazz-Musiker:innen integrieren, um vielfältiger zu werden. Es reicht nicht aus, einfach Jazz-Musiker:innen einzustellen. Das Orchester muss seine Struktur, Probezeiten und Aufführungspraxis anpassen, um die Stärken der Jazz-Musiker:innen zur Geltung zu bringen. Vielleicht bedeutet das flexiblere Probezeiten, neue Arrangements oder gemischte Konzertprogramme. Und was besonders wichtig ist: Ein Orchester hört sich eben nur dann gut an, wenn wirklich alle Mitglieder harmonieren und aufeinander abgestimmt sind.

Es ist logisch, dass das Orchester seinen Probenplan und Praktiken umstellen muss. Genau so sollte es auch logisch sein, dass Unternehmen die Rahmenbedingungen für weibliches Führungspersonal anpassen müssen. Man kann nämlich nicht davon ausgehen, dass weibliche Führungspersonen dieselben Rahmenbedingungen haben wie ihre männlichen Kollegen.

Nehmen Unternehmen nicht die nötigen Änderungen vor, heißt es wieder einmal für Frauen: Pass dich bitte an. Anpassen an ein männliches System, das die Bedürfnisse von Frauen nicht anerkennt.

Das heißt: Damit mehr Frauen führen können, braucht es flexiblere Lösungen. Allein mit einer Quote ist es also nicht getan. Es muss sich auch die Unternehmenskultur ändern.

Höchste Zeit, das zu ändern! Hier ist unsere Liste, wie weibliche Führung funktioniert und wie weibliche Lebensrealitäten in die Chefetage aufgenommen werden können: 

  1. Flexible Arbeitsmodelle: Home-Office und Teilzeitarbeit sollten auch in Führungspositionen ermöglicht werden.
  2. Geteilte Führung: Doppelt hält besser. Warum also nicht zwei Führungskräfte in Teilzeit? Das hat nicht nur den Vorteil, dass Frauen leichter Führungspositionen wahrnehmen können, sondern führt auch dazu, dass Management-Aufgaben besser verteilt und kontrolliert werden können. Dies bedeutet mehr Sicherheit und Expertise in der Führungsebene.
  3. Mentoringprogramme: Weibliche Führungskräfte sollten gezielt gefördert werden. Oft fehlt es Frauen an einem stabilen Netzwerk.
  4. Familienfreundliche Policies: Elternzeit sollte für beide Geschlechter angeboten werden, ebenso Unterstützung bei der Kinderbetreuung.
  5. Unconscious Bias Trainings: Eine Frau in einer Führungsposition? Damit ist es längst nicht getan. Wir alle haben Vorurteile, die sich über lange Zeiträume hinweg in unser Unterbewusstsein eingeschlichen haben. Diese müssen bewusst gemacht und angegangen werden.
  6. Transparente Beförderungsprozesse: Wie wird befördert und aufgrund welcher Kriterien? Diese Prozesse sollten kritisch hinterfragt und transparent gestaltet werden.
  7. Gendersensible Sprache: Auch die Art und Weise, wie wir kommunizieren, spielt eine entscheidende Rolle für die Integration weiblicher Lebensrealitäten in die Chefetage. Eine gendergerechte Ansprache ist unerlässlich, um alle Geschlechter angemessen zu repräsentieren und ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen. Die Verwendung von neutraler und geschlechtergerechter Sprache fördert nicht nur das Bewusstsein für Diversität, sondern trägt auch dazu bei, Stereotypen abzubauen und Frauen in Führungspositionen sichtbar zu machen.

Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, wie du deine Sprache inklusiver gestalten kannst, schau dir unseren Artikel über gendergerechte Sprache an!


FAQ

Was ist die Frauenquote?

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Die Frauenquote ist eine geschlechterbezogene Quotenregelung, die vorschreibt, dass ein bestimmter Anteil an Frauen in Führungspositionen, in Unternehmensvorständen, politischen Ämtern vertreten sein muss.

Diese Regel soll sicherstellen, dass Frauen die gleichen Chancen haben wie Männer, wichtige und einflussreiche Positionen zu besetzen, und soll somit zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beitragen.

Die Frauenquote wurde im März 2015 vom Bundestag als „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ verabschiedet. Dieses Gesetz schreibt vor, dass mindestens 30 Prozent der Mitglieder in Aufsichtsräten von Unternehmen, die börsennotiert und mitbestimmungspflichtig sind, Frauen sein müssen. Diese Regelung gilt für alle neuen Besetzungen seit dem Jahr 2016.