Wie können wir eigentlich unser Gehirn in die Lage versetzen, die eingebauten Programmfehler auszuschalten? Können wir Methoden entwickeln, die uns helfen, uns über automatische Denkmuster hinwegzusetzen?
In manchen Situationen könnte zum Beispiel ein einfaches Stück Stoff helfen!
Es gibt hier einen Anstoß aus der Musik. In den 70 er Jahren stellte man fest, dass der Männeranteil in Symphonieorchestern der USA extrem hoch war. Niemand störte das damals so richtig, denn die meisten sahen es so, dass Männer aufgrund der Natur bevorzugt mit dem virtuosen, musikalischen Talent ausgestattet waren. Als der Feminismus in den USA heranwuchs, kam irgendwann der Gedanke auf, ob denn männliche Musiker wirklich die talentierteren sind? Oder war bei der Auswahl ein blinder Fleck im Weg? Die Kandidat*innen spielten immer vor einem rein männlich besetzten Komitee für eine Musiker*innen-Stelle vor.
Ein Experiment folgt: Man ließ die Kandidat*inenn und das Komitee beim Vorspielen nicht aufeinandertreffen. Sondern ein Stück Stoff, hinter dem die Kandidat*innen ihr Instrument spielten, versperrte die Sicht – und so konzentrierten sich die Komitee-Mitglieder ausschließlich auf die Musik.
Nach Einführung dieses rein akustischen Vorspiels, verdoppelte sich übrigens der Anteil von Frauen bei den Neubesetzungen von Orchesterstellen von 20% auf 40%. Also war damit bewiesen, dass es bei der vorherigen Auswahl – als man die Kandidat*innen noch sah – nicht ausschließlich auf das musikalische Talent geachtet wurde. Das, was sichtbar war, nämlich das Geschlecht, hatte eine wirklich objektive Entscheidungsfindung beim männlich besetzten Komitee verhindert.
Das Stück Stoff war die wirkungsvolle Lösung, um das Stereotyp virtuos = männlich zu überlisten.
Doch bei Bewerbungsverfahren gestaltet sich das schwierig. Schon in dem Moment, wenn jemand spricht, kann meist erkannt werden, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelt.
Eine Lösung darauf wäre z.B. dass das Team, das eine/n neue/n Mitarbeiter*in auswählt, möglichst divers besetzt ist, so dass nicht sofort sehr homogen entschieden wird.
(Quelle: Mahzarin R. Banaji / Anthony G. Greenwald: Vorurteile – Wie unser Verhalten unbewusst gesteuert wird und was wir dagegen tun können / dtv / Dt. Erstausgabe 2015)