Gegenwind und Kritik – Risiko oder Chance für die eigene Sichtbarkeit?

„Wenn ich in den sozialen Medien kommentiere oder selbst einen Post schreibe, dann sehen ja alle, was ich schreibe. Und dann kennen die meine Haltung. Unangenehmer Gedanke. Ich will lieber nicht auffallen. Das könnte ja Ärger von meinen Führungskräften geben, wenn ich meine eigene Meinung vertrete. Oder die anderen mögen mich dann nicht mehr, weil ich zu laut bin.“

Sowas höre ich heute immer noch sehr oft. Besonders von Frauen. Weil wir so konditioniert worden sind, dass wir uns in der 2. Reihe wohlfühlen sollen. Und weil wir möchten, dass andere uns mögen. Und deshalb Angst vor Gegenwind und Kritik haben.

Klar ist uns allen: Kritik bekommen nur die, die sich zeigen. Wer nicht sichtbar ist, bietet ja auch keine Angriffsfläche. Ich übe mich auch seit über einem Jahr darin, zu mir und meiner Meinung/Haltung zu stehen. Und es gibt ein paar Tricks, die mir helfen, wenn ich Kommentare bekomme, die meiner Arbeit gegenüber nicht wohlwollend sind.


Hier meine 8 Hacks, die mir helfen:

1. Ich lache einfach mal laut. Das hilft mir, mir erstmal eine innere Distanz zum Kritiker/zur Kritikerin zu verschaffen.

2. Ich bewahre Ruhe. Wenn meine Emotionen hoch kochen, reagiere ich nicht gleich. Ich gehe an die frische Luft und überlege in Ruhe, was ich als nächstes tun will. Für mich ist wichtig, zu einem kühleren Kopf zurückzufinden, um dann zu entscheiden, ob, wie und wann ich reagieren will.

3. Ich stelle Gegenfragen: „Was genau verstehst du unter „Das ist kompletter Schwachsinn?“ Oder: „Was genau daran ist Schwachsinn?“ Ich lasse mir das gerne genauer erklären, denn weiß zwischenzeitlich: Wer fragt, die/der führt.

4. Ich trenne die Sache, also meinen Standpunkt von meinem privaten Ich, also meiner Persönlichkeit. Die Menschen, die gegen mich treten, kennen mich meist gar nicht richtig. Oder überhaupt nicht. Gegenwind hat oft nichts mit mir als Mensch zu tun. Meine Kritiker*innen sind allergisch in Bezug auf das Thema/den Standpunkt.

5. Ich überlege mir, wohin ich meine Energie gebe. Wenn es mir nicht sinnvoll erscheint zu kontern, dann lasse ich es. Wichtig ist mir, dass ich mich nicht verbrenne. Nicht jeder Kommentar braucht eine erneute Gegenreaktion von mir. Manche Menschen haben gar keine Lust auf einen konstruktiven Schlagabtausch mit mir, sondern wollen nur „dumm rummachen“. Dafür gebe ich meine Energie nicht her.

6. Ich verteidige nicht meine Meinung, wenn es eh nichts bringt. Man kann über manche Themen stundenlang diskutieren, z.B. ob Gendern nun der deutschen Sprache schadet oder man wichtigere weltpolitische Themen lösen sollte – oder ob es um Inklusion geht. Wenn ich merke, ich komme nicht weiter mit meinem Vorschlag, dann kürze ich es einfach ab bzw. lasse den weiteren Austausch bleiben. Hier wird man nie einer Meinung sein.

7. Ich blockiere die Menschen, die mich beschimpfen und beleidigen. Oder melde Kommentare, die sexistisch oder rassistisch sind.

8. Ich habe mir ein gutes Netzwerk außerhalb meines Business geschaffen. Ich spreche mit meinen Freunden, wenn ich mich angegriffen oder missverstanden fühle. Das fängt mich auf, wenn mich Kritik stark verunsichert.

Doch ganz wichtig ist: Ich höre nicht auf. Ich bleibe sichtbar. Ich mache weiter, denn irgendwann merkte ich, dass meine Botschaften ankommen. Viele Menschen finden gut, was ich mache und wie ich denke. Und das treibt mich an, weiterzumachen und für mein Thema einzustehen.

Und – sichtbar zu sein hat übrigens auch viele Vorteile:

  • Menschen lernen mich so besser kennen und wissen, für was ich, Lilian, stehe.
  • Sie können mit mir in den Austausch zu meinen Themen gehen.
  • Ich konnte mein Netzwerk erweitern und habe viele spannende Menschen kennengelernt, die nicht nur meine Meinung teilen, sondern mir auch andere Perspektiven auf mein Thema schenken.
  • Die Chance, dass ich von einem spannenden Projekt, einem passenden Job oder einem Kundenauftrag erfahre, sind viel größer. Denn ich bekomme – Dank meiner Sichtbarkeit – viele Anfragen und Angebote.

Für mich war es eine ungemein positive Sache, den Schritt in die Sichtbarkeit zu wagen. Vorab habe ich mich natürlich damit beschäftigt, wie man das klug angeht und nicht gerade alles dem lieben Zufall überlassen. Und ich habe mir überlegt, wie ich damit umgehen werde, wenn ich angegriffen werde.

Heute, nach über einem Jahr Sichtbarkeit, kann ich nur jede Frau ermutigen, die noch etwas im Leben bewegen will: Trau dich! Es lohnt sich über dein Herzensthema öffentlich zu sprechen. Und es kann richtig viel Spass machen.

Lilian Gehrke-Vetterkind / Juni 2022