Diese Anzeige der Deutschen Bank ist aus den frühen 80er Jahren. Und sie hängt im Haus der Geschichte in Bonn. Als ich vor wenigen Tagen davor stand war ich erschrocken, belustigt, nachdenklich.
Damals schon hatte die Bank gemerkt, dass Frauen in Führungspositionen fehlen. Und sie haben mit dieser Anzeige einen Aufruf gestartet, um mehr Frauen für Führungsaufgaben zu gewinnen. Wo genau sie erschien, entzieht sich leider meiner Kenntnisse.
„Warum gibt es so wenig Frauen in Führungspositionen?“ Diese Frage stellen wir uns heute immer noch, ganze 30 Jahre später. Vielleicht, weil wir oft immer noch auf dem Stand der 80er Jahre sind und die Dinge nach wie vor so angehen wie damals? Weil unsere Gesellschaft und die Entscheider in der Wirtschaftswelt nicht elementar viel dazu gelernt hat?
In dieser alten Anzeige fallen mir direkt drei Sachen auf, die ich heute immer noch wahrnehme, wenn es darum geht, ob und wie Frauen rekrutiert und gefördert werden sollen in Bezug auf eine Führungsposition.
1.) Die Manager der Deutschen Bank haben damals nachgedacht, was man tun kann für mehr Frauen in Führungspositionen. Sie haben Voraussetzungen geschaffen, die sie für richtig hielten, eine Karriereplanung, die auch möglicherweise ihrer eigenen entsprach. Die Karriereplanung von Männern. Doch, und das ist der entscheidende Faktor: Sie haben nicht mit den beteiligten Frauen gesprochen. Sie haben nicht gefragt, was denn sein müsste, damit die Frauen gerne eine Führungsfunktion einnehmen wollen.
Und hier schlage ich die Brücke zu heute: Welches Unternehmen beschäftigt sich aufrichtig und voller Interesse damit, was die Frauen im eigenen Unternehmen für Präferenzen in Bezug auf Führungsaufgaben haben? Welches Unternehmen befragt die Frauen?
Ich meine, es wird sich nach wie vor im Management oder im Personalbereich etwas ausgedacht. Es werden Hypothesen gesponnen und dann irgendeine Maßnahme umgesetzt. Ein Frauen-Mentoringprogramm etabliert oder ein Female Leadership Programm organisiert oder ein Workshop zu Mut und Selbstvertrauen angeboten.
Bitte nicht falsch verstehen, ich halte das nicht für unwichtig. Doch oft wird an den Bedürfnissen der Frauen und ihrem Verständnis von „so will ich gerne mein volles Potenzial einbringen“ vorbei gearbeitet. Denn was nutzt ein Female Leadership Programm, wenn es insgesamt ein Bedürfnis nach mehr flexibler Arbeit oder Führung in Teilzeit gibt – und das im Unternehmen nicht angeboten wird? Was ist, wenn Mütter vom Management für Führungsaufgaben nicht vorgesehen werden? Dann wird keine einzige Frau aus dem Leadership Program eine Führungsposition übernehmen und die Investition war für die Tonne.
Früher wie heute auch ist der erfolgsversprechende Weg, erstmal mit den Frauen zu sprechen, welche Rahmenbedingungen sie brauchen, um gerne in Führung zu gehen.
2.) Die Deutsche Bank hat sich einer Wortwahl in Bezug auf die geforderten Führungs-Skills bedient, die männlich konnotierte Eigenschaften beschreiben.
Haben Sie Durchsetzungsvermögen? Können Sie kritisch denken? Das sind Skills, in denen sich Frauen wenig wiederfinden. Sie fühlen sich davon nicht angesprochen. Ich finde, das verstehen viele Unternehmen heute auch noch nicht. Wie spricht man Frauen eigentlich an? Wie ticken Frauen? Auf was reagieren sie? Das ist wichtig zu wissen, denn Frauen sind einfach keine Männer. Und das ist auch gut so. Nur verstanden haben das viele Unternehmen noch nicht. Frauen catcht man mit Attributen wie: engagiert, empathisch, teamfähig, konsensorientiert etc.
Wir wissen, dass Frauen, die durchsetzungsstark sind, leider oft mit dem Vorurteil behaftet sind, sie seien zu bossy, zu pushy, zu männlich. Also selbst, wenn eine Frau so auftritt, dann mag man sie nicht. Ein Dilemma, über das wir als Gesellschaft dringend sprechen sollten.
Wie sollen Frauen denn nun sein? Wann machen sie es überhaupt recht? Die Anspruchshaltung, die wir an Frauen haben, ist enorm. Eigentlich sollte sie sein wie ein Mann, wenn sie Führungsambitionen hat, also verhandlungssicher, durchsetzungsstark und energisch. Und ist sie das, dann ist es auch wieder nicht recht. Und wenn sie dann ihre weiblich konnotierten Eigenschaften auslebt, gilt sie als schwach, als schüchtern und als nicht geeignet.
Auf die Sprache zu achten und dabei immer die eigenen Denkmuster zu hinterfragen hilft, mehr Frauen für Führungsaufgaben zu gewinnen.
3.) Die Deutsche Bank spricht das Selbstvertrauen der Frauen an. Das wirkt so, als rhetorische Frage formuliert, einigermaßen herablassend. Und sollte sich so in solch einer Anzeige nicht wiederfinden. Selbst wenn man die Vermutung hat, es könnte am Selbstvertrauen liegen, dann gehört das in keine Marketingkampagne. Ich denke, da sind Unternehmen heute schon weiter und vermeiden das tunlichst.
Doch es wird immer noch viel darüber gesprochen, dass es am Selbstvertrauen liegen könnte und sich Frauen nicht so viel zutrauen.
Ist es daher nicht endlich höchste Zeit, einmal Ursachenforschung zu betreiben, wenn man genau das vermutet? Vielleicht gibt es das unternehmerische Umfeld nicht her, dass Frauen Lust haben, ihr volles Potenzial zu entfalten? Und genau deshalb zögerlich sind, was ihnen dann gerne mit mangelndem Selbstvertrauen ausgelegt wird.
Ich habe im Rahmen meiner Studie „Frauen wollen führen – aber unter anderen Vorzeichen“ viele Frauen dazu interviewt, was denn sein müsste, damit sie gerne führen. Und alle haben mir gesagt, dass die Strukturen und die Unternehmenskultur nicht attraktiv genug sind, um das eigene Potenzial voll entfalten zu wollen. 90 % der von mir befragten Frauen (die noch nicht in Führung sind, oder sich wieder aus einer Führungsposition verabschiedet haben), können sich vorstellen zu führen bzw. wollen führen. Also liegt es nicht am Selbstvertrauen der Frauen.
Frauen haben 7 Präferenzen in Bezug auf die Rahmenbedingungen in den Unternehmen, um mit einem guten Gefühl eine Führungsposition einzunehmen:
1.Wunsch nach Begleitung
2. Kompetenzzuschreibung
3. Vertrauen durch das Management
4. Teilen von Verantwortung
5. Dienende, partnerschaftliche Führung
6. Psychologische Sicherheit
7. Realisierung Ganzheitlicher Lebensentwurf
Wer tiefer einsteigen mag, die Studie steht hier zum Download bereit: www.femaleleader.info
Und wenn man sich die Präferenzen durchliest, dann findet sich das, was von den Frauen für wichtig erachtet wird, oft nicht in den Strukturen und den Unternehmenskulturen wieder.
Daher meine Empfehlung: Nicht zu viel nach dem Selbstvertrauen von Frauen fragen. Besser ist es, sich direkt mit den Strukturen und der Kultur im Unternehmen zu beschäftigen und hier an wichtigen Stellschrauben zu drehen. Denn die patriarchalen Strukturen, wie wir sie heute noch vorfinden, sind nicht nur für Frauen sehr unattraktiv, sondern zwischenzeitlich auch für viele Männer.
Meine Erkenntnis zu dieser alten Anzeige und dem Dilemma, dass wir heute immer noch nicht so richtig weiter sind, lautet:
Nicht noch mehr vom Gleichen tun. Vor allem sollen Frauen nicht in Männer-Rollen gepresst werden. Es ist gut, dass sie anders sind, denn das bereichert das Geschäft. Das schenkt andere Blickwinkel und Denkweisen, das fördert Innovation, das schafft ein diverses Umfeld, in dem alle ihr Potenzial entfalten können. Und es hilft auch, dem Fachkräftemangel zu begegnen, weil noch immer nicht berücksichtigt ist, dass es sich eigentlich um einen Vollzeitbeschäftigungs-Krise handelt. Denn nur eine Vollzeit-Kraft wird häufig als vollwertige Arbeitskraft anerkannt. Warum das so ist, wäre ein weitere Artikel wert.
Und der letzte Aspekt: Es macht großen Sinn, die unternehmenseigenen Strukturen und die Unternehmenskultur zu untersuchen. Ist das alles noch zeitgemäß? Sind wir so als Arbeitgeber noch attraktiv? Halten wir unsere Talente und finden wir neue? Oder laufen uns viele davon, weil unsere Strukturen auf konservativen und traditionellen Denkmustern beruhen? Und stecken Frauen bei uns in Denk-Schubladen fest, so dass sie kaum eine Chance haben, Karriere im Unternehmen zu machen?
Genau hier gilt es anzusetzen. Und dann klappt es auch, mehr Frauen für Führungsthemen zu gewinnen und sie gezielt zu befördern.
Und wenn Sie nicht alleine mit dem Thema unterwegs sein wollen, dann melden Sie sich gerne bei mir. Ich habe da so einige Ideen, Vorschläge und Lösungsoptionen für Sie.
Lilian Gehrke-Vetterkind / Oktober 2022